Datenübertragung zwischen Zugfahrzeug und Anhäger: Gegenwärtige Praxis

Bestehende Lösungen mit CAN-Bus Datenleitungen

Die derzeitig gebräuchlichste Lösung zur Übertragung von Daten zwischen Anhänger und Zugfahrzeug stellt der Einsatz von CAN-Bus Datenleitungen dar. Diese werden in verschiedenen Stecksystemen für den Schwerlastverkehr und für Landmaschinen genutzt und in ihren Funktionen kontinuierlich weiterentwickelt. Jedoch ist die Datenübertragungsrate von CAN-Bus-Systemen je nach zugrundeliegender Norm auf 125 Kbit/s (ISO 11992-1) bzw. 250 Kbit/s (SAE J1939) begrenzt.

  • Anwendung: Schwerlastverkehr
  • CAN-BUS Datenleitungen gemäß Standard-Protokoll nach ISO 11992-2
  • Übertragung von Daten für das Bremssystem und das Anhänger-Fahrwerksystem

  • Anwendung: Schwerlastverkehr
  • CAN-BUS Datenleitungen gemäß Standard-Protokoll nach ISO 11992-3
  • Übertragung von Daten, die nicht das Fahrwerksystem betreffen
  • Datenleitungen in der Praxis selten genutzt

  • Anwendung: Agrarbereich
  • CAN-BUS Datenleitungen gemäß Standard-Protokoll nach SAE J1939
  • Gewährleistung von herstellerübergreifender Kompatibilität zwischen Traktoren und Anbaugeräten

Neue Herausforderungen der Datenübertragung für Nutzfahrzeuge

Grenzen der CAN-Bus Technologie

Mittelfristig werden die Steckverbindungen auf Basis des CAN-Buses noch weiterentwickelt, um neue Dienste und Funktionen zu ermöglichen. Aber genügen die jetzige physikalische Kontaktgeometrie und das serielle in den 80er Jahren entwickelte CAN-Bus-System den heutigen Anforderungen?

Bei Übertragungsraten von maximal 250 Kbit/s (für die Norm SAE J1939) spricht man von einem Low-Speed CAN-Bus. Ein High-Speed CAN-Bus mit einer Datenübertragungsrate von bis zu 1 Mbit/s ist ebenfalls standardisiert. Dieser ist jedoch mit dem Low-Speed-Bus nicht kompatibel und kann die Herausforderungen der Zukunft nicht lösen, wie z.B.:

  • Autonomes Fahren
  • Real-time Control / High Speed Data Exchange
  • Big Data
  • 360° Rundumsicht

Entwicklungen in der Nutzfahrzeugindustrie

Ökonomische Anforderungen treiben die Nutzfahrzeugindustrie zu neuen Innovationen. Die Trends sind hier ein verbessertes Flottenmanagement, das mit Echtzeitdaten die Warenströme effizienter steuert, die Steigerung der Sicherheit durch Rundumsicht und Radfahrererkennung und das autonome Fahrerlose fahren. Diese Trends werden durch folgende Funktionen ermöglicht:
 

Zur Steigerung der Sicherheit für den Straßenverkehr und das Fahrzeug
  • Ein intelligentes EBS mit Stabilitätsprogramm, eine Reifendrucküberwachung und die Einbindung von Achslastsensoren in ein Netzwerksystem.
  • Brake by Wire“ und „Steer by Wire
  • Rundumkameraüberwachung, Laderaumüberwachung und Türalarmsensoren
  • Einbindung von Lidar- und Radarsensoren sowie Kamerasysteme zur Unterstützung von teil- oder hochautomatisierten Fahrfunktionen
Zur Komfortsteigerung
  • Traktionshilfen mit angetriebenen Achsen am Anhänger
  • Kühlraumtemperaturüberwachung und Dokumentation
  • Teil- oder vollautomatisches An- und Abkuppeln
  • Schnittstellen und Gateways für Telematikanwendung und Smartphone-Einbindung
Zur Effizienzsteigerung
  • E-Achsen mit Rekuperation
  • Einbindung neuer netzwerkfähigen Sensoren und selbstdiagnosefähigen Aktuatoren zur Vermeidung von Ausfällen und vorbeugender Instandhaltung am Anhänger

Entwicklungen in der Agrartechnik

Durch die ständige Weiterentwicklung des Netzwerkprotokolls nach SAE J1939 auf dem CAN-Bus kommt dieser Branche eine Vorreiterrolle zu. Eine gute Vernetzung von Traktor und Anhänger ist schon Realität und schreitet weiter voran. Aber auch hier gilt es neue zukünftige Funktionen umzusetzen:

  • Einbindung von digitalen Kamerasystemen, welche derzeit noch analog in einem parallelen Netzwerk verbaut werden. Ziel ist die digitale Aufarbeitung dieser Kameradaten zur Steuerung von hochautomatisierten Pflanz- und Erntemaschinen.
  • Einbindung aller Arbeitsmaschinen in ein „Wireless Infiled Communication“-System, das die Koordination, Ankopplung und gleichzeitige Steuerung von mehreren Arbeitsmaschinen synchron und in Echtzeit ermöglicht.

 

Automotive Ethernet: Die nächste Stufe der Datenübertragung

Neue Funktionen und Technologien stellen also hohe Anforderungen an die Datenübertragung zwischen Anhänger und Zugfahrzeug. Um diese zu erfüllen, bedarf es neuer Lösungen für Übertragungswege und Anhängersteckverbinder. Hier lohnt sich ein Blick in die Automobilindustrie, genauer gesagt auf das Konzept des Automotive Ethernet.

Eine neuer Standard für die Datenübertragung

Im Jahr 1983 hatte die Organisation IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) die Ethernet-Technologie für die Industrietechnik standardisiert. In den 2010er Jahren entwickelte IEEE daraus eine kostengünstige Variante für die Anwendung in Automobilen. Basis dafür ist eine ungeschirmte verdrillte Leitung - die sogenannte UTP-Leitung (Unshielded Twisted Pair).

Die Übertragungsgeschwindigkeit liegt hier bei 100 Mbit/s. Diese Übertragung über nur ein Adernpaar wird als 100BASE-T1 bezeichnet. Die IEEE definierte die Technologie unter dem Standard 802.3bw. Mit einer ungeschirmten Leitung können Signale im Vollduplexverfahren über 15 Meter übertragen werden.

Neue Lösungen für mehr Bandbreite

Im Schwerlastverkehr und auch im Agrarsektor ist eine Mindestanforderung zur Leitungslänge von 40 Metern erforderlich. Auch die Bandbreite ist noch nicht ausreichend, um datenintensive Anwendungen wie Kameras in das Fahrzeug einzubinden.

Sehr vielversprechend ist der neue Standard 1000BASE-T1. Mit einer Bandbreite von 600 Mhz und einer Datenübertagung von 1 Gbit/s sind nach dem IEEE-Standard 802.3bp zwei Kanäle definiert: Ein Typ A mit 15 m und einer ungeschirmten Leitung (UTP) und ein Typ B für 40 m mit einer geschirmten Leitung (STP).

Lösungen in der Datenübertragung für LKW sowie Traktoren und Anbaugeräte

Auf der Basis des Automotive Ethernet Protokolls mit dem Standard 1000BASE-T1 entwickelt ERICH JAEGER individuell zugeschnittene Zukunftstechnologien für den Nutzfahrzeug- und Agrarsektor. Diese beinhalten robuste Datensteckverbinder in Verbindung mit einer 40 m STP-Leitung. Somit erfüllen die Produkte sowohl die Anforderung nach einer hohen Datenübertragungsrate (1 Gbit/s) als auch nach einer entsprechenden Leitungslänge.

Anforderungen für Datensteckverbinder

Sowohl die Nutzfahzeug- als auch die Agrarindustrie stellen hohe Anforderungen an die Datensteckverbinder und -leitungen:

  • Extreme Robustheit und Zuverlässigkeit in sehr rauer Betriebsumgebung von -40°C bis +85°C
  • Höchste Anforderungen an Wasserdichtheit (IPX9K, IPX7)
  • Hohe Steckzyklenanzahl von mehreren tausend Steckungen über den gesamten Lebenszyklus.
  • Integration in ein System, das auch den höchsten Sicherheitsanforderungen von automatisierten Fahrfunktionen mit der höchsten Sicherheitstufe ASIL-D (Automotive Safetry Integrity Level) entspricht
  • Einsatz von robusten Hybridkabeln für Daten- und Versorgungsleitungen mit hohen Rückstellkräften bei Wendelleitungen
  • Funktionssicherheit bei Niedrigtemperaturen im Winter und extremer Hitze durch hohe Umgebungs- und Motor/Getriebetemperaturen.
  • Rückwärtskompatibilität

Voraussetzungen für eine hohe Bandbreite bei der Datenübertragung

Der neu entwickelte Datenkanal, integriert in die robusten Anhängersteckgehäuse, ermöglicht dank seiner größeren Bandbreite eine höhere Datenübertragungsrate von bis zu 1Gbit/s.

Die Anforderungen werden durch die IEEE 802.3bp und Open Alliance TC9 spezifiziert.

Zwei wichtige zusätzliche Parameter für die Qualität der Anhängersteckverbindung sind die Einfügungsdämpfung und Rückflussdämpfung (Reflexion) von Datensignalen, auch Insertion Loss (IL) und Return Loss (RL) genannt.

Was ist eine Einfügungsdämpfung (Insertion Loss)?

Die Einfügungsdämpfung ist eine Verhältniszahl, die in Dezibel (dB) ausgedrückt wird. Sie beschreibt die Abschwächung der eingetragenen Leistung (Pin) in eine Steckverbindung im Verhältnis zur durchgelassenen Leistung (Pout).

IL (dB) = 10 Log10 Pin/Pout

Der Wert der Einfügungsdämpfung sollte möglichst gering sein.

In der Zweitor-Theorie wird der S-Parameter (Streuparameter) S12 und S21 der Einfügungsdämpfung zugeordnet.

Was ist eine Rückflussdämpfung (Return Loss)?

Die Rückflussdämpfung ist eine Verhältniszahl die ebenfalls in Dezibel (dB) ausgedrückt wird. Sie beschreibt das Verhältnis der einfallenden Leistung (Pi) zur reflektierten Leistung (Pr) und ist ein Qualitätsmaß für die Abstimmung von Leitungen und Steckverbindern. Man spricht hier auch oft umgangssprachlich von einem Reflexionsfaktor.

RL (dB) = 10 Log10 Pi/Pr

Der Wert der Rückflussdämpfung sollte möglichst hoch sein, da hier die reflektierte Leistung am geringsten ist. In der Zweitor-Theorie wird der S-Parameter (Streuparameter) S11 und S22 der Rückflussdämpfung zugeordnet.

Besonderheiten der Nutzfahrzeugindustrie

Soll bei der Einführung der neuen Technologie die vorhandene Infrastruktur zum Teil ersetzen werden, so spielt die Rückwärtskompatibilität eine entscheidende Rolle.

Bereits zwei elektrische Steckverbinder übernehmen die Steuerung von Bremsen und Beleuchtung. Ein weiterer Steckverbinder könnte zu einer fehlenden Akzeptanz bei den Anwendern führen, genauso wie ein neuer Steckverbinder, der mit den aktuellen Steckbildern nicht kompatibel ist. Daher ist eine Kompatibilität zu älteren Zugmaschinen und Anhängern/Aufliegern erforderlich.

Der Steckverbinder von ERICH JAEGER kann als Hybrid-Steckverbinder die Anforderungen an die Datenkommunikation nach 1000Base-T1 erfüllen und stellt weitere Kontaktpaare für die Steuerung zwischen Anhänger und Zugmaschine bereit. Über einen Adapter ist eine Anbindung an alte Infrastruktur möglich.

Das Steckverbinderkonzept ist in der bisherigen Technologie umgesetzt, die auch den Anforderungen des ADR für Gefahrgutfahrzeuge entspricht. Die Komponenten sind den Anwendern im Gebrauch bereits bekannt sind. Zudem ist die Verbindung wasserdicht nach IP X9K in gestecktem und ungestecktem Zustand.

Besonderheiten in der Agrartechnologie

In dem Agrarbereich soll eine neue separaten Systemarchitektur entstehen und mit einem kleinen kompakten Datensteckverbinder neue Anwendungsfelder erschlossen werden. Zudem unterstützt der neue Datenstecker die Break-Away Anforderung, die auch schon der nach ISO 11783-2 spezifizierte ISOBUS Datenstecker von ERICH JAEGER erfüllt. Die Steckverbinder sind getestet und freigegeben nach SAE/USCAR-2 und sind wasserdicht nach IP 6K9K und IP 67. Mit diesen Eigenschaften ist das System den anspruchsvollen Anwendungen und den rauen Umgebungsbedingungen im Agrarbereich mehr als gewachsen.